Katechismus der Krise Bruderschaft St Pius X (Zwei erste Teile)

Blog Mit der Immaculata

Von einem Priester des französischen Distrikts der FSSPX

Übersetzung von Anne-Catherine


la sapiniere.info

1) Gab es denn wirklich eine Krise?

Ja. Mgr Fellay spricht von einer „großen Prüfung der Bruderschaft“, einer „schweren Prüfung“ (Ecône, 7-9-2012), einer „schmerzlichen Prüfung“ mit „ernsthaften Problemen“ (Cor unum, Nov. 2012), „der größten, die wir jemals erlebt haben.“ (Ecône, 1-11-2012)

2) Warum soll man von diesen Problemen öffentlich reden ?

Aus dem einfachen Grund, weil man „niemals sagen darf, daß diese theologischen Diskussionen Sache der Fachleute sind und uns nichts angehen. Wir müssen unbedingt beweisen, daß genau das Gegenteil der Fall ist: Da diese Fragen den Glauben betreffen, gehen sie uns alle, Priester wie Laien, ganz besonders an. Wir müssen uns daher bemühen, zu verstehen und anderen klarzumachen, was dabei auf dem Spiel steht.“ (Pater de Cacqueray [frz. Distriktoberer], Suresnes, 31-12-2008)

3) Warum soll man diese Probleme in Form eines Katechismus behandeln?

Weil, wie Mr Fellay sagte, „die katholische Kirche, die sich bewußt ist, daß es für die Seelen lebensnotwendig ist, daß man ihnen, gelegen oder ungelegen, die Glaubenswahrheiten predigt, immer darauf bedacht war, ihren Kindern die Lehre der ewigen Wahrheiten zugänglich zu machen... Mögen die Seiten dieses Katechismus die Seelen, die guten Willens sind, erleuchten...“ (Vorwort zum Katechismus der christlichen Doktrin)

4) Worin bestand die Krise der Bruderschaft?

„Die Autorität wurde angefochten, radikal angefochten, denn man warf ihr vor, die Bruderschaft nicht mehr zu ihrem Ziel zu führen. (Mgr Fellay in Cor unum, Nov. 2012)

5) Aber wurde diese Krise denn nicht seit dem Kapitel vom Juli 2012 überwunden?

Nein. „Man mißtraut der Autorität.“ (Ecône, 7-9-2012)

6) Warum wurde sie nicht überwunden?

Aus folgendem Grund, wie Mgr Fellay selbst zugab: „Ich bin mir bewußt, daß das nicht von einem Tag zum anderen machbar ist und daß es keinen Sinn hat, zu sagen 'Haben Sie Vertrauen.' Nach den Ereignissen kann durch entsprechende Schritte das Vertrauen nach und nach wiederhergestellt werden.“ (Ecône, 7- 9-2012)

7) Gab es seither keine gezielten Maßnahmen seitens Menzingen?

Doch, selbstverständlich! Den Ausschluß Mgr Williamsons.

8) Aber kann man daraus schon schließen, daß die Krise andauert? Man müßte beweisen, daß, abgesehen von den disziplinären Schwächen, Menzingen in seinem lehrmäßigen Irrtum verharrt.

Das ist genau das, was wir beabsichtigen: zu erklären, wodurch und warum Menzingen weiterhin auf dem falschen Weg bleibt.

9) Warum sollte Menzingen auf dem falschen Weg bleiben?

Weil die Oberen der Bruderschaft sich weigern, die von ihnen hervorgerufene Doppeldeutigkeit zurückzunehmen

10) Worin besteht diese Doppeldeutigkeit?

Sie betrifft den Betrug durch zwei von Benedikt XVI. vollzogene Schritte, die der Bruderschaft einen ausschließlich materiellen Vorteil verschaffen, die Mgr Fellay aber so darstellt, als gereichten sie der Bruderschaft formal zum Vorteil.

11) Was bedeuten diese unverständlichen Wörter?

Wenn Sie über Zement, Sand und Kies verfügen, haben Sie praktisch (materiell) gesehen ein Haus, aber nicht tatsächlich (formal). Zwischen beidem besteht ein gewaltiger Unterschied.

12) Welches ist der erste von Benedikt XVI. vollzogene fragwürdige Schritt?

Es ist das Motu Proprio Benedikts XVI. über die Verwendung der vor der Reform von 1970 gebräuchlichen römischen Liturgie. Mgr Fellay behauptet, daß „ Papst Benedikt XVI. durch das Motu Proprio Summorum Pontificum die tridentinische Messe wieder in ihre Rechte eingesetzt habe, indem er ausdrücklich feststellte, daß das vom hl. Pius V. promulgierte Missale Romanum nie außer Kraft gesetzt worden war.“ (Menzingen, 7-7-2007)

13) Worin besteht die Doppeldeutigkeit?

Das Motu Proprio besagt in Wirklichkeit, daß die traditionelle Messe nie als außerordentliche Form außer Kraft gesetzt worden war, sehr wohl aber als ordentliche Form. Durch diesen Schritt nimmt Benedikt XVI. dem römischen Ritus der Heiligen Messe de jure seine Stellung als einzige ordentliche und offizielle Form und verweist ihn auf den Platz einer „außerordentlichen Form“, nachdem er ihn durch den Vergleich der Heiligkeit dieses Ritus mit dem „Bastard-Ritus“ erniedrigt hat. Trotz dieser Fakten gibt es kein offizielles Dokument von Menzingen, das dieses liturgische Konkubinat verurteilt.

14) Aber das ist Ihre Sicht der Dinge.

Nein, das sieht auch Pater de Cacqueray in seinem Brief an die Freunde und Wohltäter 2009
so. Das Motu Proprio, so sagt er, „entsprach“ nur „in seiner Materialität der ersten von der Bruderschaft gestellten Vorbedingung.“ (Suresnes, 31-12-2008)

Außerdem hatte uns Mgr Lefebvre, nachdem er seinen Irrtum anläßlich des Abkommens mit Rom im Mai 1988 erkannt hatte, nach den Bischofsweihen ausdrücklich gewarnt: „Sie sehen ja, daß er uns in die Konzilskirche zurückführen wollte...sie wollen uns diese Neuerungen aufzwingen, um der Tradition ein Ende zu bereiten. Sie gewähren etwas nicht deshalb, weil sie die traditionelle Liturgie schätzen, sondern weil sie jene täuschen wollen, denen sie es gewähren, weil sie unseren Widerstand schwächen wollen, weil sie eine Bresche in den Block der Tradition schlagen wollen, um ihn zu vernichten. Das ist ihre Politik, ihre Taktik...“ (Ecône, 9- 9-1988)

15) Was hätte Mgr Fellay demnach antworten müssen?

Das, was die Bruderschaft seinerzeit auf ein ähnliches Vorgehen Roms geantwortet hatte (Indult vom 3-10-1984). Der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X. wies darauf hin, daß dieser Indult für „die Metaphysik des Rechts todbringend“ wäre. Es könne sich da nur um ein „ad- hominem-Argument“ handeln, denn „seine Bedingungen sind inakzeptabel“. Ein „Katholik, der etwas für die Kirche empfindet, kann den Indult nicht als wahre Antwort auf sein Ersuchen betrachten.“ (Cor unum, Juni 1985)

16) So wurde also, streng genommen, die erste Vorbedingung der Bruderschaft nicht erfüllt?

In der Tat war in der Erklärung des Kapitels von 2006 von der „Notwendigkeit zweier Vorbedingungen“ beim „Austausch mit Rom“ die Rede. Ein Vermerk erinnerte an die erste dieser Bedingungen: „Vollständige und bedingungslose Freigabe der tridentinischen Messe.“ Dabei war die Freigabe der Messe, abgesehen von dem bereits erwähnten Betrug, nicht bedingungslos. Artikel 2 des Motu Proprio erteilte die Freigabe ohne „irgendeine Genehmigung, weder vom Apostolischen Stuhl noch vom Ortsbischof“ nur für die „ohne Anwesenheit von Gläubigen zelebrierten Messen“.

17) Man hätte also den Kontakt mit Rom nicht fortführen dürfen?

Ja, wenn man den vom Kapitel von 2006 erstellten Plan eingehalten hätte. Mgr Fellay tat jedoch das Gegenteil, denn, nachdem er auf „die hegelianische Sichtweise Benedikts XVI., laut der die notwendige Änderung keinen Bruch mit der Vergangenheit darstellen darf“ hingewiesen hatte, schrieb er: „ Da wir im Verhältnis zu Rom nicht genau wissen, wie und wann die Dinge sich weiterentwickeln, ziehen wir es vor, die Grundlage für die Gespräche von einer ad hoc-Gruppe
vorbereiten zu lassen, um keine (unangenehme) Überraschung zu erleben, falls wir überrascht werden sollten.“ (Cor unum, 16-7-2007)

18) Welches ist der zweite von Benedikt XVI. vollzogene fragwürdige Schritt?

Es handelt sich um das Drekret der Aufhebung der Exkommunikation latae sententiae der Bischöfe der Bruderschaft (21-1-2009), das ebenfalls nicht der zweiten vom Kapitel von 2006 gestellten Vorbedingung entsprach, nämlich „Zurücknahme des Dekretes der Exkommunikation der vier Bischöfe der Bruderschaft“.

Denn, wie im Jahr 1988 „ist für Rom das Ziel der Unterhandlungen die Wiederversöhnung, wie Kardinal Gagnon erklärt, das heißt die Rückkehr des verirrten Schafes in den Schafstall. Wenn wir an die Geschichte der Beziehungen Roms zu den Traditionalisten von 1965 bis zu unseren Tagen denken, müssen wir feststellen, daß hier eine unentwegte und grausame Verfolgung vorliegt, um uns zur Unterwerfung unter das Konzil zu zwingen. Das gegenwärtige konziliare und modernistische Rom wird nie die Existenz eines kraftvollen Zweiges der katholischen Kirche dulden können, der ihm durch seine Vitalität zum lebendigen Vorwurf wird.“ (Mgr Lefebvre, Ecône, 19-6- 1988)

19) „Rücknahme“ oder „Aufhebung“, ist das denn so wichtig?

Die Bruderschaft lehnt es ab, eine „Aufhebung der Sanktionen“ zu fordern. Sie versucht, die „Rücknahme des Dekrets der Exkommunikation“ zu erreichen, und jedermann kann feststellen, daß sie die Begriffe beim Einreichen ihres Gesuchs mit voller Absicht verwendet hat. Ihre Überzeugung, daß die Sanktionen nichtig sind, soll klar zum Ausdruck kommen.“ (Pater de Cacqueray, Suresnes, 31-12-2008)

20) Aber das Resultat liegt vor, und es ist trotz allem positiv!

„Falls es sich wirklich um die Rücknahme des Dekrets handelt und nicht um eine Aufhebung der Exkommunikation, dann wird das der Beginn der Wiedergutmachung des unerhörten Unrechts sein und wir können uns darüber freuen. Falls es sich hingegen um eine „Aufhebung der Exkommunikationen“ handeln sollte, dann lägen die Dinge ganz anders. Das entspräche nicht unserer zweiten Vorbedingung und würde das über unsere Bischöfe gefällte ungerechte Urteil keineswegs aufheben. Wollte man uns weismachen, daß die verhängten Strafen nicht null und nichtig, sondern vielleicht sogar verdient waren, wäre das dann nicht, in einem gewissen Sinn zumindest, ein neues schlimmeres Übel? Rom hätte dann unter dem Anschein der Barmherzigkeit die Strafen aufgehoben und durch den gleichen Akt ihre Gültigkeit bestätigt, ja sogar, daß sie rechtmäßig verhängt worden waren.“ (Pater de Cacqueray, Suresnes, 31-12-2008)

21) Wie hat Mgr Fellay in der Öffentlichkeit auf die Aufhebung der Exkommunikation reagiert?

Er hat „dem Heiligen Vater [seine] kindliche Dankbarkeit [ausgedrückt] für diesen Akt, der außer für die Priesterbruderschaft St. Pius X. ein Segen für die ganze Kirche sein wird... Wir empfinden Dankbarkeit gegenüber dem Heiligen Vater und all jenen, die ihm behilflich waren, diesen mutigen Schritt zu vollziehen und wir freuen uns, daß das Dekret vom 21. Januar Gespräche mit dem Heiligen Stuhl als 'notwendig' in Erwägung zieht... In dieser neuen Atmosphäre hegen wir die feste Hoffnung, daß es bald zu einer Anerkennung der Rechte der katholischen Tradition kommt.“ (Menzingen, 24-1-2009)

22) Wurde dieses Communiqué seinerzeit angefochten?

Ja; anläßlich eines Prioren-Treffens hat einer von ihnen darauf hingewiesen, daß dieses Communiqué irreführend sei, daß es die Gläubigen täusche und man die Sache klarstellen müsse.
Er bediente sich eines Beispiels: „Wenn ich einen Birnenkuchen bestelle und man liefert mir einen Apfelkuchen, dann habe ich nicht das Recht zu sagen, ich hätte bekommen, was ich verlangt habe.“

23) Hat Mgr Fellay seine Stellungnahme öffentlich berichtigt?

Nein. Der Prior wurde im darauffolgenden Jahr auf eine Kaplanstelle versetzt. Zuvor hatte Mgr Fellay im internen Mitteilungsblatt der Bruderschaft folgendes geschrieben: „Im gleichen Moment, als ich dem Kardinal den Strauß [der Rosenkränze] für Papst Benedikt XVI. überreichte, übergab er mir das auf den 21. Januar datierte und von Kardinal Ré unterzeichnete Dekret. Man kommt nicht umhin, darin die Mitwirkung der Muttergottes zu sehen. Ich muß Ihnen gestehen, daß mich das immer noch sprachlos macht. Das übertrifft menschliches Erwarten, auch wenn im Dekret von der Aufhebung der Exkommunikation die Rede ist und nicht von der Annullierung des Dekrets von 1988, auch wenn im Text die Sache so dargestellt wird, daß der Heilige Stuhl sein Gesicht nicht verliert. Das Wesentliche besteht darin, daß die Exkommunikation – die wir immer bestritten haben – nicht mehr besteht und daß die von uns empfohlene Verfahrensweise bei Grundsatzgesprächen (Doktrin, Glaube etc.) als notwendig erachtet wird. Unter den gegebenen Umständen scheint es mir illusorisch, von den offiziellen Autoritäten mehr zu erwarten.“ (Cor unum, 8-2-2009)

24) Ist das denn nicht das Wesentliche?

Nein, denn „das Wesentliche besteht darin, daß die Exkommunikation nicht mehr besteht“ heißt, daß man sich mit einer faktischen Regelung begnügt, obwohl man eine formelle gefordert hatte.

25) Mgr Fellay sah also, trotz dieser „auch wenn“, die zweite Vorbedingung als erfüllt an?

Ja. Er wollte nicht nur die Gespräche mit Rom in Gang bringen, sondern er sprach auch bereits von einer „kanonischen Regelung, sobald sie möglich ist“ , wobei „wir zwangsläufig eine Reihe von Schutzmaßnahmen, wie sie Mgr Lefebvre in so kluger Weise vorgesehen hat, benötigen werden sowie auf höchster Ebene eine Kommission zur Verteidigung der Tradition in Rom.“ (Cor unum, 8-2-2012)

26) Man wollte also auf falscher Grundlage mit den römischen Gesprächen beginnen.

Genau, denn „wir haben nicht die gleiche Auffassung von der Wiederversöhnung. Kardinal Ratzinger sieht sie in dem Sinne, daß er uns unterwerfen und zur Anerkennung des II. Vatikanums bringen will. Wir sehen sie als eine Rückkehr Roms zur Tradition. Wir verstehen uns nicht; wir reden aneinander vorbei.“ (Mgr Lefebvre, Fideliter Sept.-Okt. 1988)

27) Die Zeiten Johannes Pauls II. sind doch vorbei.

„Ist die Auffassung Benedikts XVI. denn besser als die Johannes Pauls II.? Man braucht nur die Studie La Foi au Péril de la Raison [wörtlich: Der durch die Vernunft gefährdete Glaube] zu lesen, die einer von uns dreien geschrieben hat, um festzustellen, daß das Denken des jetzigen Papstes ebenfalls vom Subjektivismus durchdrungen ist. Die ganze subjektive Phantasie des Menschen ersetzt die objektive Realität Gottes. Die ganze katholische Religion ordnet sich der modernen Welt unter.“ (Mgrs Williamson, Tissier de Mallerais, de Galarreta, 7-4-2012)

28) Aber wenn auch die Vorbedingungen, aus der Sicht der Medien und psychologisch betrachtet, nicht im strengen Sinn erfüllt wurden, so hat sich doch gezeigt, daß Benedikt XVI. der Bruderschaft und ihrer Doktrin wirklich wohlgesonnen ist.

„Als Subjektivist mag er es sein, weil die subjektivistischen Liberalen selbst die Wahrheit tolerieren können, jedoch nicht, wenn diese sich weigert, den Irrtum zu tolerieren. Er würde uns im Rahmen des relativistischen und dialektischen Pluralismus anerkennen, vorausgesetzt, daß wir in 'voller Gemeinschaft' mit der Autorität und den anderen 'kirchlichen Gegebenheiten' bleiben. Deshalb würde ein rein praktisches Abkommen zwangsläufig jede Kritik der Bruderschaft am Konzil oder an der neuen Messe zum Schweigen bringen. Wenn sie aufhörte, diese wichtigsten Siege der Revolution anzugreifen, würde die arme Bruderschaft zwangsläufig aufhören, dem allgemeinen Glaubensabfall unserer beklagenswerten Epoche entgegenzuwirken und sie würde selbst darin versinken.“ (Mgrs Williamson, Tissier de Mallerais, de Galarreta, 7-4-2012)

29) Aber wenn Rom uns zu Gesprächen auffordert, eilen wir hin, nicht wahr?

Nein! Wir eilen nicht hin: „Vor einer eventuellen Wiederaufnahme der Gespräche mit Rom werde ich meine Bedingungen stellen“ (Mgr Lefebvre, Fideliter, Sept.-Okt. 1988). Wohlgemerkt werden diese Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Gespräche gestellt, nicht für den Abschluß eines Abkommens!

30) Welches waren diese Bedingungen, die Mgr Lefebvre in seiner weisen Art für eine eventuelle Wiederaufnahme der Gespräche mit Rom vorsah?

„Dann werde ich die Bedingungen stellen. Eine Situation wie bei den damaligen Gesprächen werde ich nicht mehr hinnehmen. Das ist vorbei! Ich werde die Frage auf lehrmäßiger Ebene stellen:
'Sind Sie einverstanden mit den großen Enzykliken aller Ihrer päpstlichen Vorgänger? Sind Sie einverstanden mit Quanta Cura von Pius IX., mit Immortale Dei und Libertas von Leo XIII., mit Pascendi von Pius X., mit Quas Primas von Pius XI. und mit Humani generis von Pius XII.? Stimmen Sie mit diesen Päpsten und ihren Aussagen vollkommen überein? Billigen Sie den Antimodernisteneid noch? Treten Sie für das soziale Königtum Unseres Herrn Jesus Christus ein? Wenn Sie die Lehre Ihrer Vorgänger nicht annehmen, hat es keinen Sinn, miteinander zu reden. Solange Sie nicht bereit sind, das Konzil unter Bezug auf die Lehre Ihrer päpstlichen Vorgänger zu reformieren, ist ein Dialog weder möglich noch nützlich.' Die Standpunkte wären auf diese Weise klarer.“ (Mgr Lefebvre, Fideliter Sept.-Okt. 1988)
Man hat geglaubt, man sei stärker als unser Gründer, und heute sind die Dinge nicht klar.

31) Hat es der Arbeit unserer Theologen an Klarheit gefehlt?

Überhaupt nicht. „Unsere Experten haben deutlich den Gegensatz zwischen der vorkonziliaren Lehre der Kirche und der Lehre nach dem II.Vatikanum und ihren Folgen nachgewiesen.“ (Mgr Fellay, Cor unum, März 2012)

32) Was war das Ergebnis dieser Gespräche?

„In den Gesprächen hat sich eine tiefgreifende Uneinigkeit in fast allen angesprochenen Punkten gezeigt.“ (Mgr Felay, Cor unum, März 2012)

33) Warum dann dieser „Vorschlag der römischen Kongregation, die Bruderschaft durch den rechtlichen Status einer Personalprälatur anzuerkennen, vorausgesetzt, daß sie einen doppelsinnigen Text unterschreibt?“ (Mgr Fellay, Cor unum, März 2012)

Die Gespräche mit Rom haben gezeigt, „daß sie nicht bereit sind, dem II. Vatikanischen Konzil abzuschwören“ und „sie wollen uns dahin zurückführen“; die Rückkehr der Bruderschaft könnte jedoch der Konzilskirche „nützlich sein, um die Erneuerung der Reform mit der Kontinuität zu verbürgen.“ (Mgr de Galarreta, Albano, 7-10-2011)

34) Aber war sich Mgr Fellay dessen bewußt?

Ja. „Man hat uns einen Vorschlag gemacht, mit dem man versuchte, uns in das System der Hermeneutik der Kontinuität einzubinden.“ (Mgr Fellay, Cor unum, März 2012) Und an der gleichen Stelle behauptet er, daß ihn dieser Vorschlag Roms überrascht hätte.

35) Überrascht oder nicht, was hat er entschieden?

Zunächst die Oberen der Bruderschaft (ausgenommen Mgr Williamson) in Albano zur Beratschlagung zusammenzurufen (Okt. 2011).

36) Was hat man ihm bei diesem Treffen gesagt?

Die römischenVorschläge sind „konfus, doppeldeutig, falsch und im Wesentlichen schlecht.“ Ihre „doktrinale Präambel“ ist „schlimmer als das Protokoll von 1988, vor allem in Bezug auf das Konzil und das nachkonziliare Lehramt.“ „Angesichts der Umstände ist sicher, daß wir zum Schluß, nach langen Palavern, keinerlei Ergebnis erzielen.“ Wenn wir die Kontakte fortsetzen, wird dies „zwangsläufig unserem Gemeinwohl, der Bruderschaft und der Familie der Tradition schweren Schaden zufügen.“ (Mgr de Galarreta, Albano, 7-10-2011)

37) Hat er diese Ratschläge befolgt?

Nein.

38) Hat Mgr Fellay demnach schwer gegen die Klugheit verstoßen?

Ja, aber das war nicht der einzige Fehler. Denn damit hat er gegen den Willen des Kapitels von 2006 verstoßen. So war dies nicht nur entsetzlich unklug, sondern auch ein schwerer Verstoß gegen den Gehorsam.

39) Inwiefern?

Im März 2012 schrieb der Generalobere folgendes an alle Mitglieder der Bruderschaft:
„Die wenigen Maßnahmen, die Benedikt XVI. ad intra bezüglich der Liturgie, der Disziplin und der Moral ergriffen hat, sind demnach wichtig, auch wenn ihre Anwendung noch zu wünschen übrig läßt...Junge Bischöfe zeigen uns offen ihre Sympathie... Vielleicht sind diese Dinge in Rom am deutlichsten wahrnehmbar! Wir haben jetzt in den wichtigsten Dikasterien und auch in der Umgebung des Papstes freundschaftliche Kontakte!“

Mgr Fellay möchte teilnehmen an der „Erneuerung der Kirche. Selbst wenn das erneute Auftreten eines 'Julian, der Abtrünnige' nicht auszuschließen ist, glaube ich nicht, daß der Bewegung Einhalt geboten werden kann. Wenn es wahr ist, und davon bin ich überzeugt, dann müssen wir eine Neupositionierung gegenüber der Amtskirche vornehmen. In diesem Zusammenhang müßte die Frage einer Anerkennung der Bruderschaft durch die Amtskirche gestellt werden. Es geht um einen übernatürlichen Blick auf die Kirche und um die Tatsache, daß sie in den Händen Unseres Herrn Jesus Christus bleibt, auch wenn sie von ihren Feinden entstellt worden ist. Unsere neuen Freunde in Rom bekräftigen, daß eine solche Anerkennung eine ungeheuer starke Auswirkung auf die ganze Kirche haben würde, gewissermaßen als Bestätigung der Bedeutung der Tradition für die Kirche. Hingegen erfordert eine konkrete Durchführung zwei absolut notwendige Punkte, um unser Überleben zu sichern: Erstens dürfen von der Bruderschaft keine Konzessionen bezüglich des Glaubens und dem, was sich daraus herleitet (Liturgie, Sakramente, Moral, Disziplin) gefordert werden. Zweitens müssen der Bruderschaft wirkliche Freiheit und Handlungsfreiheit zugestanden werden, die es ihr erlauben, konkret zu leben und sich zu entwickeln. Die konkreten Umstände werden zeigen, wann es an der Zeit ist, auf die Amtskirche 'zuzugehen'. Heute scheint dies trotz der römischen Annäherung vom 14. September aufgrund der damit verbundenen Bedingungen noch nicht möglich zu sein. Die Zeit wird kommen, wann der liebe Gott es will. Da der Papst dieser Angelegenheit höchste Bedeutung beimißt, können wir auch nicht ausschließen, daß es zu einer plötzlichen Lösung kommt.“ (Cor unum)

40) Wie hat er einen derartigen Richtungswechsel gerechtfertigt?

Indem er alle freundschaftlichen Warnungen in den Wind schlug und die Beschlüsse des Kapitels von 2006, an die er gebunden war, aufhob.

41) Welche freundschaftlichen Warnungen meinen Sie?

Vor allem folgende: „In Richtung eines praktischen Abkommens vorgehen, würde bedeuten, daß wir unser Wort brechen und unsere Pflicht verletzen, die wir gegenüber unseren Priestern und unseren Gläubigen, gegenüber Rom und jedermann haben. Ein solcher Schritt würde eine schwerwiegende diplomatische Schwäche der Bruderschaft offenbaren und, um ehrlich zu sein, mehr als eine diplomatische Schwäche. Es wäre ein Mangel an Zusammenhalt, Rechtschaffenheit und Festigkeit, der den Verlust der Glaubwürdigkeit und der moralischen Autorität, deren wir uns erfreuen, nach sich ziehen würde. Wenn wir diesen Weg beschreiten, wird dies Mißtrauen und Spaltung zur Folge haben. Viele Obere und Priester werden in Gewissenszweifel gestürzt werden und Einspruch erheben. Die Autorität und das Prinzip der Autorität selbst werden in Frage gestellt und unterminiert. Infolgedessen ist dies nicht der richtige Zeitpunkt, den Beschluß des Kapitels von 2006 (kein praktisches Abkommen ohne Lösung der lehrmäßigen Frage) zu ändern.“ (Mgr de Galarreta, Albano, 7-10-2011)

42) Wie lautete der Beschluß des Kapitels von 2006?

„Die Kontakte, die die Bruderschaft sporadisch mit den römischen Autoritäten unterhält, haben allein zum Ziel, ihnen zu helfen, sich die Tradition wieder zu eigen zu machen, die die Kirche nicht verleugnen kann, ohne ihre Identität zu verlieren, und nicht das Suchen eines Vorteils für die Bruderschaft selbst, oder ein unmögliches, rein praktisches 'Abkommen' zu erreichen. An dem Tag, an dem die Tradition alle ihre Rechte wiedererlangt, 'ist das Problem der Wiederversöhnung gegenstandlos und die Kirche wird eine neue Jugend finden.'“ (Cor unum, Okt. 2006)

43) Was hielt Mgr Fellay von den Bedingungen des Kapitels von 2006?

„Das Kapitel von 2006 gab eine Linie vor, man kann sagen, eine klare, aber ich wage zu sagen, eine zu abstrakte. Sie ist klar, man sagt: die Gespräche mit Rom sind [dazu da], um ihnen zu helfen, die Tradition wiederzufinden; in diesen Gesprächen sucht man kein praktisches Abkommen. Wenn Rom zurückgekehrt sein wird, wird das kein Problem mehr sein. Wie soll man das beurteilen? Bis wohin wird das gehen? Ist das ganz oder teilweise? Auf welche Punkte bezogen?“ (Ecône, 7-9-2012)

44) Was hat er aus diesen klaren Beschlüssen gemacht?

In Cor unum hat er sie im März 2012 offiziell auf den Müll geworfen.

45) Wie das?

Durch einen Trugschluß.

46) Durch welchen?

Durch folgenden: die angebliche „neue Lage“ erfordert eine neue „Richtung“; der Beschluß des Kapitels von 2006 ist kein „Prinzip“, sondern „eine Richtlinie, die unser konkretes Handeln regeln muß“.

„Wir sehen uns hier einer Beweisführung gegenüber, deren wichtigste die Bestätigung des Prinzips des Primats des Glaubens ist, um katholisch zu bleiben. Die unbedeutendere ist eine historische Feststellung zum gegenwärtigen Zustand der Kirche, und der praktische Schluß wird von der Tugend der Klugheit inspiriert, die das menschliche Handeln bestimmt: kein Nachsuchen um ein praktisches Abkommen auf Kosten des Glaubens. Im Jahr 2006 ertönen noch immer die Häresien, die Autoritäten selbst verbreiten den modernen und modernistischen Geist des II. Vatikanums und zwingen ihn allen auf wie eine Dampfwalze (das ist die unbedeutendere). Unmöglich, ein Abkommen zu erreichen, bevor sie sich nicht bekehrt haben; wir würden zerrieben, auseinandergerissen, vernichtet oder so unter Druck gesetzt, daß wir nicht widerstehen könnten (das ist die Schlußfolgerung). Wenn die unbedeutendere sich änderte, das heißt, wenn es eine Änderung des Verhältnisses der Kirche zur Tradition gäbe, könnte das eine entsprechende Änderung der Schlußfolgerung erfordern, ohne daß sich deshalb unsere Prinzipien in irgendeiner Weise geändert hätten! Da die göttliche Vorsehung sich durch die gegebenen Tatsachen ausdrückt, müssen wir, um ihren Willen zu erkennen, genau verfolgen und beobachten, was sich in der Kirche tut. Nun gibt es aber keinen Zweifel daran, daß wir seit 2006 eine Entwicklung in der Kirche erleben, eine wichtige und sehr interessante Entwicklung, obwohl sie kaum sichtbar ist.“ (Mgr Fellay, Cor unum, März 2012)

47) Wo liegt der Fehler in dieser Schlußfolgerung?

In einer Blindheit, die sich weigert, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist: die Autoritäten verbreiten im Jahr 2012 immer noch den modernen und modernistischen Geist des II. Vatikanums!

Für Kardinal Ratzinger „gibt es keine Tradition. Es gibt kein Vermächtnis, das weitergegeben werden muß. Die Tradition in der Kirche ist das, was der Papst heute sagt. Sie müssen sich dem unterwerfen, was der Papst und die Bischöfe heute sagen. Das ist in ihren Augen die Tradition, die berühmte lebendige Tradition, der einzige Grund für unsere Verurteilung. ... Das ist die Tyrannei der Autorität.“ (Mgr Lefebvre, zitiert von Mgr de Galarreta, Albano, 7-10-2011)

48) Gab es angesichts dieser Blindheit Reaktionen oder Einspruch?

Ja, sehr gute Reaktionen. Wie Mgr de Galarreta vorausgesagt hatte, bekamen „viele Obere und Priester Gewissenszweifel“ und „ erhoben Einspruch“. Aber es gab nur wenige Reaktionen, denn „sieht man in der Bruderschaft nicht schon Symptome eines Nachlassens in der Glaubensverkündigung?“ (Mgrs Williamson, Tissier de Malleria, de Gallarreta, 7-4-2012)

(wird fortgesetzt)