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Der derzeitige Papst sieht die ökumenischen Bemühungen überbewertet.

Foto: AP/L'OSSERVATORE ROMANO

Die seit 1908 jeweils im Jänner abgehaltene Weltgebetswoche für die Einheit der Christen war wenigsten einmal schon für eine weltbewegende Überraschung gut. 1959 nutzte sie Johannes XXIII. für die Ankündigung des bisher letzten Konzils und setzte damit auch gleich ein Signal, welche Marschrichtung ihm vorschwebte.

Die Marschrichtung des Jahres 2012 ist eher ein Zickzack-Kurs.

Nehmen wir zuerst Zick:

• Die fehlende Einheit gefährde die Glaubwürdigkeit der Christen, meinte heuer der amtierende Papst.
• Jeder einzelne Christ sei für die Ökumene verantwortlich. Sie benötige eine "immerwährende Bekehrung".
• Der Papst wünscht Geduld und keine Resignation bei der Ökumene.

Dann kommt Zack!

Ein Schlag ins Gesicht langjähriger Bemühungen: In einer Ansprache vor Mitgliedern der Glaubenskongregation warnte er vor einer Überbewertung ökumenischer Arbeitspapiere. Es handle sich dabei nur um vorläufige Beiträge, die abschließende Bewertung obliege allein den zuständigen kirchlichen Autoritäten.

Man muss nicht viel Fantasie besitzen, um sich auszumalen, was die Wirkungsgeschichte eines solchen Zitates sein wird, wenn es genau vor den Bremsern der Reformen ausgesprochen wird. Vor dieser Zielgruppe wäre das Wort von der "immerwährenden Bekehrung" wohl passender gewesen.

Mantraartig wiederholt Benedikt XVI. auch, dass die Einheit nur von Gott geschenkt werden kann. Die Christen könnten sie nur erbitten.

Das erinnert an jenen hochtheologischen Witz, der zu jener Zeit erzählt wurde, als Bischof Kurt Krenn wortgewaltig Menschen aus der Kirche vertrieb:

Bischof Kurt Krenn droht im Morast zu versinken. Eine vorbeikommende Feuerwehr bietet Hilfe an. Krenn lehnt ab: "Ich vertraue auf Gott." Doch er versinkt immer weiter. Noch zweimal kommt die Feuerwehr vorbei, doch der Bischof nimmt diese Hilfe mit der Berufung auf die erwartete göttliche Rettung nicht an. Es kommt, wie es kommen muss: Bischof Krenn stirbt im Sumpf. Im Jenseits angekommen, drängt er sich wutschnaubend vor den Thron des Höchsten und klagt: "Ich habe für dich Zeugnis in der Welt abgelegt - und du lässt mich ersaufen." Und Gott antwortet ihm: "Was willst du? Ich habe dir doch eh dreimal die Feuerwehr vorbeigeschickt ..."

Der Papst tut doch tatsächlich so, als würden sich die Christen zwar nach Einheit sehnen, allein, der liebe Gott verweigere noch die Zustimmung.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es genau umgekehrt ist, ist ziemlich hoch: Der liebe Gott versteht die Uneinigkeit der Menschen, namentlich seines Kaderpersonals, nicht. Längst hat er den Päpsten und Bischöfen Theologen vorbeigeschickt, die erklärt haben, dass die theologische Kluft überwindbar ist.

Längst schon ist klar, dass es nicht um Uniformität, sondern um Einheit in Vielfalt geht. Längst schon ist klar, dass es ein Missverständnis ist, den Papst als absolutistischen Führer zu sehen. Längst schon hat ein Papst, nämlich Johannes Paul II., eingesehen, dass auch das Papstamt umgestaltet werden muss (Enzyklika Ut Unum Sint - vgl. Das Papst-Orakel).

Benedikt XVI. wartet lieber.

Sein Bremsmanöver hat der Pontifex Maximus langfristig eingeleitet: "Die Suche nach der Einheit hat noch viele Hindernisse vor sich", sagte er schon im Herbst 2010. In der letztjährigen Gebetswoche diagnostizierte er, dass "wir noch fern sind von der Verwirklichung jener Einheit, für die Christus gebetet hat". Nachdem dieses Gebet schon 2.000 Jahre alt ist, kann man ermessen, was der Papst unter Ferne versteht.

Darin liegt natürlich nicht nur ein vergebliches Warten auf ein Handeln Gottes, der längst schon gehandelt hat, sondern auch ein theologisches Missverständnis: Wenn nämlich durch das Evangelium das Reich Gottes nahe gekommen ist, dann kann die Ökumene nicht fern, sondern muss quasi um die Ecke sein. Allerdings: Wenn der Papst den einzigen Job, den er wirklich hat, nämlich Diener der Einheit zu sein, nicht ausübt, weil er lieber Alleinherrscher seines Schrebergartens ist, nützt das natürlich wenig ...

PS: Bei einem Gottesdienst erlebte ich kürzlich ein schönes Beispiel dafür, wie nicht wartend für Ökumene, sondern realisierend ökumenisch gebetet werden kann. Der Priester sprach im Hochgebet nicht nur die Gemeinschaft mit dem Papst und dem Ortsbischof aus, sondern schloss auch namentlich den ökumenischen Patriarchen Bartholomäus der orthodoxen Kirche ein. (Schön wäre es auch noch gewesen, die Repräsentanten anderer Kirchen dazuzunehmen.)

Damit verstieß er wohl gegen die römische Instruktion Redemptionis Sacramentum (aus Nr. 51: "'Man kann es nicht hinnehmen, dass einige Priester sich das Recht anmaßen, eucharistische Hochgebete zusammenzustellen' oder die von der Kirche approbierten Texte zu ändern ..."). Ich nenne ihn und seine Gemeinde daher lieber nicht. Gut getan hat es allemal, und ich glaube nicht, dass der Allmächtige wegen dieses kreativen Ungehorsams zürnt - im Gegenteil.

PPS: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal geklärt werden muss. Der derzeitige Papst hat bisher lediglich zur Schuld einzelner Priester und Bischöfe Stellung genommen. Zu den Vorgängen innerhalb der vatikanischen Mauern fand er kein Wort. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig.