Einspruch, Herr Alipius!

13. August 2012


Blogger-Kollege Alipius hat sich dafür ausgesprochen, dass Sportler religiös sein dürfen. Das kann so nicht stehen bleiben!

Alipius, Alipius, Alipius! Das hätte ich nicht von Dir gedacht! Ich meine Deine Kritik am heroischen Kampf Schweizer Menschenrechtler für die Würde aller Nicht-, Anders-, Ganz anders-, Überhaupt nicht- und Sonstwie-Gläubigen, die alle vier Jahre unter Olympischen Spielen leiden, weil sich religiöse Sportler dort partout nicht an die Regeln halten. Denn: Sportler haben sich neutral zu verhalten und allein dem Sport zu dienen! Nichts anderem.

Was meinst Du denn, lieber Alipius, warum sie z. B. keine Werbung für Sportbekleidung machen? In der Öffentlichkeit jetzt. Weil sie neutral sein müssen! Und genauso, wie die Sportler ohne Bekleidung antreten (oder hast Du an Bolt irgendetwas gesehen, das – um mal ein Beispiel zu nennen – Puma gegenüber Andersvermarktenden hervorhebt?), müssen sie sich auch religiös neutral verhalten. Also, wenn man sie z. B. auf Pressekonferenzen fragt, wem sie ihrer Ansicht nach den Sieg verdanken, dann können sie vielleicht sagen: „Dem Humanistischen Verband Kingston.“ Aber eben nicht die Wahrheit! Nicht in der Öffentlichkeit! Denn: Wir wollen das nicht hören!

Ich meine, lieber Kollege, schau Dir doch mal so ein Stadion an. Bar jeder sportfremden Symbolik! Alles draußen, was mit Körperkultur nicht direkt etwas zu tun hat: Keine Nationalfahnen, keine Unternehmenslogos, keine Funktionäre. Nichts! Und in diese Oase der Neutralität stoßen nun skrupellose Athleten gewaltsam vor und schlagen[sic!] ein Kreuzzeichen! Noch Fragen?

Der völlig berechtigten Frage hingegen, warum Usain Bolt sich nicht um hungernde Kinder kümmert, und der von der Hirnforschung längst bewiesenen Tatsache, dass Christen dumm („beschränktes Bewusstsein“) und böse („egozentrisch“) sind, begegnest Du, lieber Alipius, mit fadenscheinigen Rechtfertigungen des religiösen Fundamentalismus’. Vom Sportler falle im Ziel „eine gewaltige Last“ ab und da dürfe er ja wohl mal… Nein! Darf er nicht! Denn die Last, die von ihm abfällt, bindet er schon mit „Im Namen des…“ auf die geprügelten Rücken der zur Neutralität verpflichteten Journalisten.

Und: Zu den „aus Ideologiegründen simulierten“ Ärgernissen. Mein lieber Alipius, hast Du überhaupt eine Vorstellung davon, wie sehr Menschen leiden, wenn Sportler sich bekreuzigen? Wahrscheinlich nicht! Allein der Name „Usain“ löst auf den Tribünen dieser Welt blankes Entsetzen aus! Hast Du ihre Schreie nicht gehört! Wie sie, sobald sich eine Handkamera zeigte, hektisch um Hilfe gewunken haben und „Mama!“ riefen? Wie sie ganz plötzlich begeistert aufsprangen, als ihr Bild auf der Stadionleinwand gezeigt wurde, in der Hoffnung, dass endlich Rettung naht? „Hier bin ich! Holt mich raus!“, wollten sie dem schweigenden „Westen“ signalisieren. Dem schweigenden Papst, um es auf den Punkt zu bringen.

Doch auch außerhalb des Stadions ist es mit Neutralität schlecht bestellt: Milliarden wehrlose Fernsehzuschauer müssen mit ansehen, wie Bolt betet! Man muss ein Herz aus Stein haben, wenn man sich eingedenk dessen nicht „ärgert“! Und, lieber Kollege: Was soll das bitte mit dem Blick nach China? Ein Ablenkungsmanöver! Denn: Die Folter von Kindern zur Aufbesserung der Medaillenausbeute ist zwar bedauerlich, findet aber nicht in der Öffentlichkeit statt! Chinas Folterkammern können also gar nicht gegen das Neutralitätsgebot verstoßen und Nichtgläubige „ärgern“! Und allein darum geht es ja!

Gehen wir mit der Zeit, werter Alipius, und gewähren Schweizer Journalisten endlich Menschenrechte. Also: Verbieten wir „Religionen“! In der Öffentlichkeit. Also: Verbieten wir das Kreuz. Und das Kreuzzeichen. Überhaupt. Nicht nur im Stadion. Überall! Statt Kreuzungen könnte man zum Beispiel – wie im laizistischen Frankreich – den Kreisverkehr einführen. Wo ist das Problem? Und das Rote Kreuz sollte nur noch in Privatwohnungen tätig werden. Bei Unfällen (Kreisverkehr!) rücken statt dessen die „Roten“ aus, denn die sind wenigstens weltanschaulich neutral. Den Rest besorgt eine Rechtschreibreform: Statt „Kreuzspinne“ schreibt man „Ihhh, mach die weg!“; sonst wird „Kreuz“ gestrichen. Ottern, Fahrten, Worträtsel und Bandrisse. Weiß doch jeder, was gemeint ist! Und warum, in aller Herr*piep*s Namen, muss man davon sprechen, dass „Flecki“ eine *piep*ung aus Dalmatiner und Dackel ist? Warum nicht „Mischung“? „Verschiedene Elternteile“? „Zweirassiges Gemeinschaftsprojekt“? Wer ideologisch nicht völlig verblendet ist (um mal nicht „dogmatisch verkrustet“ zu nehmen, das bringt weniger Punkte!), kann nur zu dem Ergebnis kommen, dass „Religionen“ allenfalls noch auf der Gästetoilette geduldet werden können. Aber nicht auf öffentlichen Straßen und Plätzen. Schon gar nicht in öffentlichen Stadien, Alipius!

Gerade mit Sportlern, die ausschließlich zu Missionszwecken Olympische Spielen besuchen (USA, Jamaika, Afrika, Bahamas) muss man kurzen Prozess machen! Ja, denken diese Menschen eigentlich nicht daran, was sie denen antun, die ein Recht darauf haben, vom Missionsterror religiöser Fanatiker verschont zu bleiben? Von Fundamentalisten, die ihre Gewaltbereitschaft immer wieder auf grausame Weise zum Ausdruck bringen (Kreuzzüge, Inquisition, 400m Hürden)? Von Läufern, die im Ziel auf die Knie sinken? Gut, wenn sie danach ein neutrales sportärztliches Attest vorlegen, aus dem hervorgeht, dass der Kniefall nicht aus Respekt vor dem Schöpfer, sondern als Folge von Erschöpfung passierte, dann wäre die geplagte Welt sicher zur Vergebung bereit. Aber alle Anderen? – „Menschenverachtend!“

Kreuz-Athleten wie Usain Bolt – der übrigens noch eine Menge anderer Gesten auf Lager hat, den kriegerischen Bogenschützen etwa, und, wie im Ziel des 200 Meter Laufs, den mindestens menschenrechtswidrigen Aufruf zur Abschaffung der Meinungsfreiheit – gehören endlich gesperrt. Besser noch: Weggesperrt! Im übrigen sollte man dann auch gleich die Hymne, die Bolt ständig zu hören bekommt, verbieten, schließlich heißt es da: „Eternal Father, bless our land, guard us with Thy mighty hand.“ („Ewiger Vater, segne unser Land, schütze uns mit deiner mächtigen Hand.“). Darf man das singen? Laut? In der Öffentlichkeit? Wohl kaum, ohne Verletzung des Neutralitätsgebots! Ich meine, dass man bei den nächsten Spielen allzu oft „God[sic!] save the Queen“ zu hören bekommt, ist ja eher unwahrscheinlich, aber Jamaika gibt Anlass zur Sorge! Und was gar nicht geht sind Staatspräsidentinnen wie Portia Simpson Miller (Jamaika[sic!]), die Dinge sagen wie: „Wir danken Gott, dem Allmächtigen für unsere Athleten.“ Wie kann sie so etwas sagen? Einfach so? Was soll das? Hm?

Die neutrale Linke aufs Herz, Alipius: Was wäre das für ein Paradies, in dem Schlagzeilen wie „Bolt wegen Betens disqualifiziert!“, „Bibel im Basket! US-Dream Team von Spielen ausgeschlossen!“ und „Neutralität zahlt sich aus: Nordkorea führt im Medaillenspiegel!“ endlich Wirklichkeit würden? Und: Deutsche Sprinter hätten wieder Chancen aufs Halbfinale! Schon mal daran gedacht, Alipius? Nicht? Siehste!

(Josef Bordat)

Kommentare sind geschlossen.