Schnauze, Kirche!

28. Januar 2014


Was mir bei den Stellungnahmen unter diesem Spiegel Online-Artikel („Tagung in Würzburg: Katholische Bischöfe fordern Verbot organisierter Sterbehilfe“) auffällt, ist nicht bloß der Umstand, dass einige Menschen offenbar ausschließlich Überschriften lesen bzw. ihr Urteil eben darauf beziehen (aus dem Text geht hervor, dass die Evangelische Kirche Sterbehilfe genauso entschieden ablehnt, angegriffen wird jedoch praktisch nur die Katholische Kirche), nicht allein das schiefe Bild, das einige besonders aufgeklärte Menschen von der Kirche in Geschichte und Gegenwart haben, nicht nur die recht unzweideutige Diktion, mit welcher der ideologische Gegner in epistemischer und ethischer Hinsicht charakterisiert wird, sondern vor allem die Tatsache, dass sich die Kritik immer öfter nicht auf das richtet, was dieser sagt, sondern darauf, dass er überhaupt etwas sagt.

Denn das spricht nicht nur für ein etwas fragwürdiges Kirchenverständnis (ein Vertreter der Kirche habe grundsätzlich keine Ahnung von der Sache, hier: Mensch, Leben, Sterben, Tod; der „eigentliche Zweck“ der Kirche sei es, „dem Menschen Geld aus der Tasche zu ziehen“; es ginge der Kirche mit einem Verbot organisierter Sterbehilfe quasi um die Prolongation ihrer erprobten Folterpraxis etc.), sondern für ein äußerst fragwürdiges Demokratieverständnis. Wer der Kirche (hier: der Deutschen Bischofskonferenz) die „Einmischung“ in eine Debatte verbieten will (Zitat: „Schweigt, ihr Psychotiker!“, „Die Kirche soll mit Ihrem Unsinn gefälligst nur die eigenen Mitglieder behelligen“, „Die Kirche versucht sich erneut in Themen einzumischen, aus denen sie sich heraushalten sollte“), und zwar immer unverhüllter, will nichts mehr und nichts weniger als die Kirche selbst verbieten. Denn eine Kirche, die sich nicht in Debatten „einmischt“, ist keine Kirche.

Ich will nicht einem rein funktionalistischen Kirchenbegriff das Wort reden, doch ist das ja gerade jenes Verständnis von Kirche, auf das man sich in einer säkularistischen Gesellschaft bisher immer noch hat einigen können: die Kirche als ein „Verein“ unter vielen, den Parteien, den Verbänden, den NROs, den Clubs und den Gewerkschaften. Und jetzt soll dieser Verein eben ausnahmsweise nicht mehr Mitreden dürfen. Man ersetze nur mal hilfsweise in den obigen Zitaten „die Kirche“ durch „die SPD“ oder „Greenpeace Deutschland“. Was fällt auf? Dass selbst der allerkleinste gemeinsame Nenner nicht mehr von allen anerkannt wird. Mag sein, dass es sich bei dem, was im Kommentarbereich von Spiegel Online aufzufinden ist, um Einzelmeinungen handelt, die mehr über den Sender aussagen als über den Adressaten – gefährlich ist es trotzdem, zumal es kaum Widerspruch gibt. „Schnauze, Kirche!“ – das kann gesagt werden. Daher wird es gesagt und das, was heute gesagt wird, bereitet – so lehrt die Geschichte – oft genug dem, was morgen getan wird, den kulturellen Boden.

Das dazu. Zur Sache hatte ich mich vor einem Jahr schon mal geäußert.

(Josef Bordat)

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