Nikodemus Schnabel, Abt des Dormition Klosters in Jerusalem
APA/AFP/Ahmad Gharabli
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Übergriffe

Abt: Jerusalem nicht „Hooligans“ überlassen

Konflikte zwischen den Religionen in Jerusalem nehmen zu. Für den Abt der Jerusalemer Dormitio-Abtei, Nikodemus Schnabel, sind es „die Hooligans der Religionen, die die Stadt vergiften“. Man dürfe ihnen nicht das Terrain überlassen, stattdessen brauche die Stadt in erster Linie „Versöhnung, Heilung und Dialog“.

Schnabel sprach bei einem Gesprächsabend im Begegnungszentrum der Ordensgemeinschaften „Quo vadis?“ am Donnerstagabend. Der deutsche Ordensgeistliche und Ostkirchenexperte lebt seit 20 Jahren im „Heiligen Land“ und leitet seit Februar 2023 die bekannte deutschsprachige Benediktinerabtei auf dem Berg Zion in Jerusalem.

Der Hass der Menschen nehme zu und die aktuelle Regierung – „eine Regierung aus Kriminellen und Christenhassern“ – tue ihr Übriges, so der 44-jährige Abt. Hinzu komme eine Polizei, die wegsehe und ein Teil der Gesellschaft, dem das alles mehr oder weniger egal ist, so der Dormitio-Abt. Aber, „Jerusalem ist für drei Religionen ein absoluter Sehnsuchtsort. Ein Ort, der mit drei Sehnsuchtserfahrungen verbunden ist. Alle sollten hier ein Heimspiel haben“, zeigte sich der Abt überzeugt.

„Achterbahn der Gefühle“

Das Leben in Jerusalem sei eine tägliche „Achterbahn der Gefühle“, schilderte der Abt und doch brauche er die Stadt: „Ich könnte Jerusalem ohne mein Kloster nicht aushalten, und ich könnte mein Kloster nicht ohne Jerusalem aushalten“, bekannte der Ordensgeistliche. Früh morgens durch die heilige Stadt flanieren und die fast magischen Eindrücke von drei Weltreligionen aufsaugen, das sei eine einmalige Erfahrung.

Bezogen auf sein Äußeres, das ihn sofort als Christ erkennen lässt, sagt er: „Ich bin ein lebendes Kommunikationsangebot in Jerusalem.“ Als Abt mit Habit und Brustkreuz oute er sich täglich als Mitglied einer Minderheit im „Heiligen Land“. Die einen rempelten ihn oder spuckten ihn sogar an, während andere ihre Freude und ihren Zuspruch zum Ausdruck bringen und ihn auf der Straße anstrahlen – „egal welcher Religion sie angehören“, stellte Schnabel klar.

Land am Scheidepunkt

Diese Menschen seien es auch, die ihm Mut machten, jene, „die vielleicht früher politisch nicht interessiert waren oder neutral waren, und jetzt auf die Straße gehen und gegen die Regierung demonstrieren“. Das Land stehe an einem Scheidepunkt, wo eine neue Diskussion und neuer Mut entstehen könne. Zu hoffen bleibe, dass die Radikalen nicht das letzte Wort haben.

Ein Video, das viral gegangen war, in dem der Abt aufgefordert wird, sein Brustkreuz an der Klagemauer abzulegen, beschäftigt Schnabel bis heute. Die Situation sei banal gewesen und trotzdem eine Grenzüberschreitung. Er sei froh, dass er sein Kreuz nicht abgenommen habe. Er befand sich auf einem öffentlichen Platz, mehrere hundert Meter vom Gebetsbereich entfernt, und ohne die Absicht, diesen zu betreten, erklärte er.

Chance für Dialog

Er selbst habe den Aufruhr, den das Video verursachte, erst nach ein paar Stunden mitbekommen und sei dann lange damit beschäftigt gewesen, Medienanfragen zu beantworten. „Auf Jerusalem sind zig Kameras und Mikrofone gerichtet.“ Letztlich zeigte sich, dass durch die Situation, die zuerst unangenehm gewesen sei, eine Chance erwachsen sei, in Dialog zu treten. „Es gibt immer wunderbare Früchte, auch wenn etwas Unangenehmes passiert“, so Abt Schnabel abschließend.

Nikodemus Schnabel trat 2003 in die Dormitio-Abtei der Benediktiner auf dem Berg Zion in Jerusalem ein, wo er 2009 die feierliche Profess ablegte und 2013 zum Priester geweiht wurde. Im selben Jahr promovierte er an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Am 3. Februar 2023 wählte ihn der Konvent der Dormitio-Abtei zum Abt, die Weihe fand im Mai 2023 statt. Unter anderem ist er auch Konsultor der Wiener Stiftung Pro Oriente.