Zur Frage nach der Kirchlichkeit der Priesterbruderschaft St. Pius X.

I. Teil einer ekklesiologischen und kanonistischen Analyse von Mag. theol. Michael Gurtner.
Erstellt von Mag. Michael Gurtner am 12. Februar 2011 um 18:36 Uhr

Besonders seit der Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. durch Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. feliciter regnans kommt es seitens mancher GlĂ€ubigen immer wieder zu der berechtigten Frage, wie es denn nun um die Priesterbruderschaft St. Pius X stehe und wie man sich als Katholik ihr gegenĂŒber zu verhalten habe, und besonders auch, ob man die heiligen Sakramente von deren Mitgliedern gĂŒltig empfangen kann und dies auch erlaubt darf, oder nicht.

FĂŒr eine rechte Bewertung der Dinge, welche hinsichtlich einer Versöhnung der FSSPX mit dem Heiligen Stuhl gerade vor sich gehen, ist es aber unbedingt notwendig einen Sachverhalt zu beachten, welcher von fundamentalem Gewicht ist, jedoch in der öffentlichen Diskussion leider kaum beachtet wird. Vielfach ist zu hören und zu lesen, die Piusbruderschaft stĂŒnde außerhalb der Kirche und wĂ€re schismatisch. Dies kann jedoch nicht so einfach behauptet werden, zumindest nicht mehr: denn will man die Kirchlichkeit der Priesterbruderschaft St. Pius X. beurteilen, so hat man es mit einer komplexen Fragestellung zu tun welche sich nicht anhand eines einzelnen Faktums bewerten lĂ€ĂŸt, sondern eine Beobachtung der gesamten Genese verlangt: der „Fall FSSPX“ ist in seiner Gestalt und seinen UmstĂ€nden vermutlich ein sehr einzigartiger Fall und kann nicht leicht mit anderen FĂ€llen aus der Kirchengeschichte verglichen werden.

Durch die Ereignisse vom Juni 1988 wurde eine einmalige Situation geschaffen, welche man erst im Abstand einiger Jahre recht beurteilen konnte; diese Situation ist vermutlich einzigartig in der Kirchengeschichte, und dieser Einzigartigkeit wird (hoffentlich) Rechnung getragen. Diese SingularitÀt des konkreten Falles ist dabei nicht in der unerlaubten Bischofskonsekration gelegen, das gab es immer wieder einmal: sondern sie ist in den GesamtumstÀnden zu sehen.

Der Heilige Stuhl ging zunÀchst zurecht von einem Schisma aus

Als Msgr. Marciel Lefebvre Ende Juni 1988 vier Priester ohne pĂ€pstlichem Mandat zu Bischöfen weihte, schrieb der Heilige Stuhl sowohl im Exkommunikationsdekret vom 1. Juli 1988, als auch im Motu Proprio vom 2. Juli 1988 von einem „schismatischen Akt“. Dies tat er zu jenem Zeitpunkt auch völlig zu Recht, da solch eine unerlaubte Weihehandlung, welche zu ihrer RechtmĂ€ĂŸigkeit ein pĂ€pstliches Mandat voraussetzen wĂŒrde, tatsĂ€chlich den schweren und wohlbegrĂŒndeten Verdacht einer schismatischen Absicht nahelegt. Daß Msgr. Lefebvre dies zwar in seiner Weihehomilie bestritt ist eine, den UmstĂ€nden entsprechend, erfreuliche und unbedingt zur Kenntnis zu nehmende Tatsache, aber dies alleine ist noch zu wenig, um tatsĂ€chlich von einem nicht-schismatischen Akt auszugehen. FĂŒr gewöhnlich nĂ€mlich werden Bischofsweihen ohne pĂ€pstlichen Mandat mit dem Ziel durchgefĂŒhrt, um sich von der Kirche und deren Hierarchie zu trennen, eine eigene Hierarchie aufzubauen, und „eigenstĂ€ndig“ zu werden, ohne von der Universalkirche abzuhĂ€ngen oder dieser unterstellt zu sein. Die „Beweispflicht“, daß es sich eventuell doch um kein Schisma handelt, liegt also auf der das Recht brechenden Seite, und nicht der Heilige Stuhl muß beweisen, daß es sich um ein Schisma handelt.

Daß der Apostolische Stuhl zunĂ€chst, auch aus einer gewissen klugen Vorsicht, und nicht zuletzt auch aus Erfahrung heraus, von einem bestehenden Schisma ausging ist verstĂ€ndlich, nachvollziehbar und völlig berechtigt, zumal ja auch generell bei solchen Ereignissen eine große und bedrĂ€ngende Gefahr besteht, daß sich die Dinge dahingehend entwickeln. Unmittelbar nach diesen Bischofskonsekrationen konnte der Heilige Stuhl also nicht berechtigter Weise davon ausgehen, daß dies in diesem konkreten Falle nicht so sein werde. Deshalb schrieb das Motu Proprio Ecclesia Dei vom 2. Juli 1988 auch mehrfach von einem „schismatischen Akt“. Dieser wird wie folgt begrĂŒndet:

“Die Tat als solche war Ungehorsam gegenĂŒber dem Römischen Papst in einer sehr ernsten und fĂŒr die Einheit der Kirche höchst bedeutsamen Sache, wie es die Weihe von Bischöfen ist, mit der die apostolische Suksession sakramental weitergegeben wird. Darum stellt dieser Ungehorsam, der eine wirkliche Ablehnung des Römischen Primats in sich schließt, einen schismatischen Akt dar.”(Vgl. Can. 751 CIC 1983)

Dieser Canon des kirchlichen Gesetzbuches beinhaltet eine Legaldefinition des Schismas: „
Schisma nennt man die Verweigerung der Unterordnung unter den Papst oder der Gemeinschaft mit den diesem untergebenen Gliedern der Kirche.“

Um so mehr, als noch am 17. Juni 1988 Eminenz Gantin, der damalige KardinalprĂ€fekt der Heiligen Bischofskongregation, ein pĂ€pstliches Monitum ĂŒberbrachte, welches expressis verbis die Weihehandlungen verbot, mußte man zunĂ€chst wirklich von einem solchen „schismatischen Akt“ ausgehen: die Weihehandlung und die UmstĂ€nde, verschĂ€rft durch ein explizites Verbot, ließen keine andere vernĂŒnftige Annahme seitens des Apostolischen Stuhles zu.

Halten wir an dieser Stelle also nochmals die Argumentationslinie des Heiligen Stuhles fest: Die Weihe von Bischöfen ist eine ernste Sache welche Relevanz fĂŒr die Einheit der Kirche hat. Diese Weihe wurde durch den Apostolischen Stuhle verboten, sie fand aber trotz des Verbotes dennoch statt, was diese Einheit verletzte und was einen Akt schwersten Ungehorsams darstellt. Dieser Ungehorsam impliziert eine Ablehnung des Römischen Primates und macht diese innere Haltung durch die Ă€ußere Handlung sichtbar, was nichts anderes bedeutet als daß es sich um einen schismatischen Akt (der ein Schisma nach sich zieht bzw. dieses vollzieht) handelt.

Diese Haltung des Heiligen Stuhles ist zum Zeitpunkt von 1988 vollkommen schlĂŒssig: denn was sonst als eine schismatische Haltung und Gesinnung sollten die durch Kirchenrecht und Monitum verbotenen Bischofsweihen bedeuten?

Dreizehn Tage spĂ€ter hielt der damalige KardinalprĂ€fekt der heiligen Glaubenskongregation, Seine Eminenz Joseph Kardinal Ratzinger, eine berĂŒhmt gewordene Rede an die chilenischen Bischöfe, in welchen er viermal davon sprach, daß ein Schisma bestĂŒnde: eingangs sprach er sogar von einem „offensichtlichen Schisma“.
Daß dieser Eindruck entstehen mußte, daran konnte auch die Beteuerung Msgr. Lefebvres wĂ€hrend dessen Weihehomilie nichts Ă€ndern, in welcher er deutlich machte, daß ihm nichts ferner liege als ins Schisma zu gehen:

„Es ist notwendig, daß Sie gut verstehen, warum wir um nichts auf der Welt mit dieser Zeremonie ein Schisma wollen. Wir sind keine Schismatiker
 FĂŒr uns kommt es allerdings absolut nicht in Frage, daß wir uns von Rom zu trennen. Wir wollen uns auch keiner Rom fremden Macht unterwerfen und eine Art Parallelkirche grĂŒnden. Die Bischöfe von Palmar de Troya in Spanien haben dies zum Beispiel so gemacht. Sie ernannten einen Papst und grĂŒndeten ein Kardinalskollegium. Derartige Dinge kommen fĂŒr uns auf keinen Fall in Frage! Dieser erbĂ€rmliche Gedanke steht uns fern. Wir wollen uns nicht von Rom trennen. Im Gegenteil, mit dieser Zeremonie manifestieren wir unsere Verbundenheit mit Rom. Wir manifestieren damit unsere Verbundenheit mit der Kirche aller Zeiten, mit dem Papst und allen seinen VorgĂ€ngern“.

Dessen Worte wiesen ein Schisma wohl zurĂŒck: aber die Tat, die er zu setzen im Begriff war sprach tatsĂ€chlich eine andere Sprache. Man mußte daher zu diesem Zeitpunkt wirklich von den illegalen Weihehandlungen auf ein Schisma schließen. Daß die Worte Msgr. Lefebvres ernst zu nehmen waren, das war angesichts des gleichzeitigen mandatslosen Weihevollzuges zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar: es mußte sich erst im weiteren Verlauf der Entwicklungen zeigen, ob die Worte des Erzbischofs Gewicht hatten oder dessen Tat. Erst der Lauf der Dinge der auf die illegalen Weihe folgenden Jahre konnten daher zeigen, daß in Wirklichkeit die Bischofsweihen doch keinen schismatischen Akt dargestellt hatten, wie es im Regelfalle unerlaubte Bischofsweihen sind, und weshalb auch vom Apostolischen Stuhl hinsichtlich der Konsekrationen die canones 1364 § 1 und 1382 in Verbindung miteinander angefĂŒhrt wurden, quasi als doppelter Exkommunikationsgrund.

Auch 1996 gab der PĂ€pstliche Rat fĂŒr die Gesetzestexte mit Datum vom 24. August noch eine „ErklĂ€rende Anmerkungen  zur Exkommunikation aufgrund Schismas, welcher die AnhĂ€nger der Bewegung des Bischofs Marcel Lefebvre verfallen“ ab. Diese ErklĂ€rung geht auf eine Anfrage des Bischofs von Sitten, S.E. Norbert Brunner, zurĂŒck, welche er an die hl. Bischofskongregation gerichtet hatte, und welche ihrerseits wieder den benannten pĂ€pstlichen Rat um Erhellung in der Materie bat.

In dessen Anfrage bat der Bischof um eine authentische Interpretation des Dekretes der Bischofskongregation vom 1. Juli 1988 sowie des Motu Proprio Ecclesia Dei vom 2. Juli 1988, sowie der erwĂ€hnten canones 1364 § 1 und 1382. Der Rat fĂŒr die Interpretation der Gesetzestexte, an welchen die Anfrage des Bischofs konsultativ weitergeleitet worden war, fand jedoch in der Anfrage kein dubium iuris, was jedoch fĂŒr eine authentische Interpretation unersetzbare Bedingung wĂ€re.

Der PĂ€pstliche Rat ĂŒbersandte an die Bischofskongregation also mangels eines dubium iuris keine authentische Interpretation, legte jedoch einige Anmerkungen bei, welche Erörterungen und Empfehlungen enthielten, genauer gesagt waren es 10 an der Zahl, und in den meisten von ihnen kommt eindeutig zum Vorschein, daß nicht nur die an der Weihe beteiligten Bischöfe, sondern gar die gesamte Piusbruderschaft als schismatisch gesehen wurde, sowie daß die Exkommunikation alle AnhĂ€nger trifft, welche dem Schisma der Bruderschaft zustimmen.

Im Gegensatz zu diesen Anmerkungen des PĂ€pstlichen Rates zur Interpretation der Gesetzestexte gibt es jedoch auch andere Meinungen: Ein VorgĂ€nger von Julian Kardinal Herranz, der diese Antwort an die hl. Bischofskongregation unterzeichnete, nĂ€mlich Kardinal Lara, welcher 1988 der PrĂ€sident des Rates fĂŒr die Gesetzestexte war, sah dies in unmittelbarer zeitlicher NĂ€he zu den Weihen etwa anders. Im Oktober 1988 sagte er in einem Interview mit der italienischen Zeitung la Repubblica: „Der Tatbestand der Konsekration eines Bischofs, ohne pĂ€pstliche Erlaubnis, ist in sich keine schismatische Handlung“, und Kardinal Cassidy, VorgĂ€nger Kardinal Kaspars als PrĂ€sident des Einheitsrates, erklĂ€rte 1994, daß die Piusbruderschaft eine interne Angelegenheit der katholischen Kirche ist: sie seien weder eine andere Kirche, noch eine andere kirchliche KommunitĂ€t.

Auf diese teils etwas widersprĂŒchlichen Aussagen von kirchlichen AutoritĂ€ten sei allein deshalb verwiesen um zu zeigen, daß es sich keineswegs um eine eindeutige, unumstrittene Frage handelt, sondern daß auch in den höchsten RĂ€ngen darĂŒber verschiedene Bewertungen desselben Sachverhaltes zu finden sind. Auf drei Aussagen Kardinal Hoyos in diesem Zusammenhang werden wir spĂ€ter noch gesondert eingehen.

Dieser Artikel ist der erste Teil einer ekklesiologischen und kanonistischen Analyse von Mag. theol. Michael Gurtner. Die siebenteilige Artikelreihe wird in den kommenden Tagen forgesetzt.

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