Krim schließt sich Russland an

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Moskau lässt den Separatisten in Simferopol freie Hand. Das Krim-Parlament beschließt den Beitritt zur Russischen Föderation. Die EU einigt sich bei einem Gipfel auf erste milde Sanktionen.

Simferopol/Moskau/Wien. In der Krim-Krise brüskieren die Russen die internationale Gemeinschaft: Am Donnerstag stimmte das Parlament in der schmucklosen Krim-Hauptstadt Simferopol mit großer Mehrheit für die Abspaltung von der Ukraine und den Eintritt in die Russische Föderation. Man betrachte die ukrainischen Truppen ab sofort als „Besatzer“; nur die russischen Armeeverbände würden akzeptiert, erklärte Vizepremier Rustam Temirgaliew in einer Pressekonferenz. „Die Krim ist russisches Gebiet“, wurde er in Lokalmedien zitiert. „Die Entscheidung ist getroffen.“ Der Entschluss sei ab sofort gültig, hieß es. Als offizieller Grund für die Abspaltung gilt der sogenannte „verfassungswidrige Umsturz“ in Kiew.

Der russische Rubel, und nicht mehr die ukrainische Hrywnja, könnte schon bald das gängige Zahlungsmittel der zweieinhalb Millionen Krim-Bewohner sein. Geht es nach dem neuen prorussischen Premier Sergej Aksjonow werden auch die Uhren auf Moskauer Zeit gestellt, die im Winter derjenigen Kiews immerhin um zwei Stunden voraus ist.

Unabhängigkeit oder Anschluss?

Den Willen der Abgeordneten sollen die Bürger offenbar noch in einem Referendum absegnen, das nun abermals vorgezogen wird. Statt am 30. März (ursprünglich ist es erst für Ende Mai geplant gewesen), soll es nun schon nächsten Sonntag, den 16. März, stattfinden. Die Bürger der Krim werden vor eine Wahl gestellt, die den bisherigen Status quo – also den Verbleib der Krim als Autonome Republik nach jetzigem Recht – ausschließt. Entscheiden können sie zwischen zwei (gestern erstmals präsentierten) Fragen: „Sind Sie für die Vereinigung der Krim mit der Russischen Föderation?“ und „Sind Sie für die Wiederherstellung der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für den Status der Krim als Teil der Ukraine?“

Die Verfassung von 1992 ist nicht mehr in Kraft. Mit ihr wurde eine quasi unabhängige Republik Krim ausgerufen, die formal im Staatsverband mit der Ukraine war. Verhandlungen führten schließlich zur bisher gültigen Autonomieregelung. Auch die russische Duma unternimmt Schritte, um den formellen Anschluss der Krim zu vollziehen: Nächste Woche wollen die Abgeordneten ein Gesetz zur Vereinigung der Krim mit Russland diskutieren. Dieser Gesetzesvorschlag soll die territoriale Erweiterung der Russischen Föderation entbürokratisieren. Präsident Putin hat noch am Dienstag erklärt, ein Anschluss sei nicht auf der Tagesordnung.

Die EU hat am Donnerstag bei einem Sondergipfel erste Sanktionen gegen Russland verhängt: So sollen die Verhandlungen über Visa-Erleichterungen sowie über das neue Grundlagenabkommen ausgesetzt werden. Härtere Sanktionen, darunter Einreiseverbote und Kontosperrungen, sind sodann in weiterer Folge möglich.

OSZE-Beobachtern Zutritt verwehrt

40 Militärbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), deren Mission Klarheit über das Ausmaß des Truppenaufmarsches bringen sollte, wurde bei Armjansk – einem Ort auf einer der beiden schmalen Landzungen, die die Krim mit dem Festland verbindet – die Zufahrt verwehrt. „Sie stecken fest, aber sie werden nicht umkehren“, hieß es aus westlichen Diplomatenkreisen. „Sie werden von zwei Gruppen Bewaffneter nicht hineingelassen.“ Die Beobachter zogen sich später in die Stadt Cherson nordwestlich der Krim zurück, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Die USA haben indes Einreiseverbote gegen Russen und verantwortliche ukrainische Beamte verhängt, denen die Gefährdung der territorialen Integrität vorgeworfen wird. Auch Vermögenssanktionen sind angekündigt. Russlands Außenminister Lawrow nannte die Maßnahmen eine „Gefahr“. In Gesprächen mit US-Außenminister John Kerry habe man noch keine Einigung erreicht.

Der ukrainische Ministerpräsident, Arsenij Jazenjuk, der in Brüssel weilte, bezeichnete die Abspaltung als „illegal“ und drohte mit einem Militäreinsatz. Gleichzeitig erklärte er, er hoffe auf eine internationale Kontaktgruppe zur Deeskalation des Konflikts. Der ukrainische Premier sprach sich weiters für eine baldige Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens aus.

Auf der Krim selbst übten die Tataren heftige Kritik am Separatismus der Führung. Refat Tschubarow, Chef des krimtatarischen Parlaments Medschlis, sagte, der Schritt sei eine „weitere Eskalation“. „Wir rufen alle Einwohner der Krim auf, das Referendum zu boykottieren.“ Tschubarow sprach sich für die Stationierung von UN-Friedenstruppen aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2014)

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