Fronleichnam. FAQ

4. Juni 2015


Wie heißt es eigentlich richtig: „Frohleichnam“ oder „Fronleichnam“?

Als Kind dachte ich immer, wir feiern „Froh-Leichnam“. So ganz falsch ist das, wie mir heute scheint, nicht: Wir dürfen uns in der Tat des eucharistischen Herrn (des „Fron“) freuen und froh durch die Städte und Dörfer tragen, was uns trägt: Jesus Christus als Brot des Lebens. Insoweit hätte – Linguisten und Germanisten, erschlagt mich! – das mittelhochdeutsche Wort „frô“ (Herr) am Ende vielleicht doch etwas mehr mit unserem Wort „froh“ zu tun als auf den ersten Blick anzunehmen.

Übrigens, das heutige Fest heißt auch Hochfest des Leibes und Blutes Christi.

Leib, ja? Und warum betet ihr dann ein Stück Brot an?

Jesus ist für uns das Brot des Lebens. Er hat es uns selbst gesagt, es ist eine der Ich bin-Offenbarungen aus dem Johannesevangelium: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben“ (Joh 6, 35). Das Manna, mit dem Gott Sein Volk in der Wüste speist, wird in Christus für alle Menschen erkennbar. In der Gestalt des Brotes hat Gottes Zuspruch im Alten Bund „das Osterlamm vorerklärt“, wie es in der deutschen Fassung der Fronleichnamssequenz Lauda Sion heißt.

Jesus stellt sich mit der Selbstoffenbarung Ich bin das Brot des Lebens in den heilsgeschichtlichen Zusammenhang: Er übernimmt die Funktion des Mannas, rettende Speise zu sein. Darin besteht der Neue Bund. Beim Letzten Abendmahl verdichtet sich dieses Motiv: Christus gibt sich selbst für uns hin, wird selbst zu dem Brot, das Er teilt. Wir wissen: Es bleibt nicht bei der symbolischen Hingabe, sondern sie geschieht tatsächlich. Am nächsten Tag. Am Kreuz.

Gut, aber warum tragt ihr dann das Stück Brot durch die Gegend?

Weil wir glauben, dass Jesus das Brot des Lebens für alle Menschen ist, wollen wir das auch allen Menschen zeigen und es also der ganzen Welt demonstrieren. Eine katholische Demo heißt auch „Prozession“. Das ist in erster Linie eine Feier. Dennoch hat diese etwas mit einer Demonstration zu tun. Die heilige Hostie wird in einer „Monstranz“ aufgewahrt und gezeigt. Es ist uns wichtig, Jesus in der Gestalt des Brotes, die Er selbst für sich wählte, zu allen Menschen zu bringen.

Deshalb feiern wir in Dankbarkeit auch 2000 Jahre danach täglich die Eucharistie. In jeder heiligen Messe, die katholische Christen feiern, erinnern sie an die liebevolle Hingabe Jesu. Heute tun sie es mal ganz öffentlich, auf Straßen und Plätzen. Sie demonstrieren für eine Botschaft, die weit über die Inhalte des katholischen Glaubens hinausweist, denn sie macht uns klar, was der wesentliche Unterschied ist zwischen Geist und Materie.

Wieso denn das schon wieder?

Wenn der Priester uns die Hostie spendet und sagt: „Der Leib Christi“, dann erkennen wir: Die Gaben des Geistes sind unendlich. Sie reichen nicht nur für mich, sondern für alle, die kommen. Mehr noch: Sie vermehren sich und steigern ihren Wert, wenn man sie teilt. Die materiellen Güter hingegen sind endlich und auch nur endlich oft teilbar, ehe sie wertlos werden. Ein Brot, das man wieder und wieder teilt, ist irgendwann ein Haufen Brösel, die keiner mehr essen mag.

Es kann also beim Leib Christi, den wir in der Kommunion empfangen, nicht des Brotes wegen um das Brot gehen, sondern um der Substanz wegen, die sich im Brot über uns alle ausbreitet, die uns erfüllt und von der selbst im kleinsten Partikel der Hostie noch alles da ist. Das ist das tiefe Geheimnis der Gegenwart Gottes unter der Gestalt des Brotes. Heute wollen wir unseren Glauben daran in die Öffentlichkeit tragen und mit der Gesellschaft teilen.

Apropos: Öffentlichkeit. Ist Religion nicht Privatsache?

Nein, nicht für katholische Christen. Ihr Glaube ist zwar eine persönliche Entscheidung, er kann aber nicht privat bleiben, es sei denn, man scheidet bewusst aus dem öffentlichen Leben aus. Es gibt Religionsgemeinschaften, die genau das ihren Mitgliedern empfehlen. Die Katholische Kirche gehört nicht dazu. Als katholischer Christ beeinflusst mein Glaube unweigerlich mein Leben, wozu auch Entscheidungen gehören, die öffentlich wirksam werden (etwa Wahlentscheidungen). Das lässt sich nicht ganz verhindern.

OK. Aber so eine Riesen-Demo – muss das sein? Hat Jesus nicht selbst zur Zurückhaltung geraten?

Ja, Jesu fordert von uns, unser karitatives und liturgisches Handeln ins Vorborgene zu verlagern (vgl. Mt 6). Nicht in den Gassen, nicht an den Straßenecken, gut einsehbar für die Menschen, sollen wir spenden, fasten und beten, sondern unbemerkt, sogar von uns selbst, abgeschieden im Privatissimum, in der Kammer. Christliches Tun soll sich nach dem Willen Jesu still und leise vollziehen. Unsichtbar.

Es wäre nun sehr voreilig, daraus den Schluss zu ziehen, Jesus spräche sich für eine Verdrängung der Religion aus dem öffentlichen Raum aus, wie sie heute oft gefordert wird. Jesus ist kein früher Gewährsmann eines militanten Laizismus. Er setzt vielmehr auf die Differenz zur Gesellschaft: Dort, wo überall in den Gassen, an den Straßenecken, auf den Plätzen öffentlich gebetet wird (so war das zu Seiner Zeit), da kann man den Unterschied machen, indem man mit seinem Gebet im Verborgenen bleibt. Nicht im Sinne von „verschämt“ und „heimlich“, sondern von „in sich“, „persönlich“, „gesammelt“. Heute besteht die Differenz zur Gesellschaft – zumal in einer Stadt wie Berlin – gerade im öffentlichen Gebet, in der Demonstration des Glaubens.

Zudem erkennt Jesus in Seiner Umgebung, dass und wie sich Formen des religiösen Tuns als solche verselbständigen können und es dem, der sie vollzieht, um alles mögliche geht, um Sozialperestige, ein gutes Gefühl oder die Erfüllung einer Standespflicht, aber eben nicht um das, worum es Jesus geht: um die Liebe. Das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe soll im Beten und Spenden praxiswirksam werden. Ganz ohne Effekthascherei.

Wir dürfen also heute guten Gewissens durch die Städte und Dörfer ziehen und einen Unterschied machen, wenn wir dabei die richtige Haltung einnehmen. Nicht: „Seht her, wie schön unser Blumenschmuck ist, den wir tagelang gestaltet haben!“, sondern: „Seht auf Ihn, der uns zur Liebe ermutigt!“ Und uns eben auch motiviert, die Straßen, über die wir mit Ihm ziehen, so schön wie möglich zu schmücken. Für Ihn.

Und wann kann man sowas mal erleben, ich meine, in Berlin?

Das Erzbistum Berlin begeht das Fronleichnamsfest traditionell auf dem Gendarmenmarkt. Die Feier beginnt um 18.00 Uhr mit der Heiligen Messe. Daran schließt sich die Prozession an. Sie führt über die Markgrafen-, Tauben-, Friedrich-, und Französische Straße zurück zum Gendarmenmarkt. Um 21.00 Uhr wird für alle, die um 18 Uhr noch nicht da sein konnten, eine Heilige Messe in der St. Hedwigs-Kathedrale gefeiert. Herzliche Einladung!

(Josef Bordat)

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