Santiago_
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Lyrikerin Ulla Hahn äußert sich zur Debatte um katholische Liturgie

"Die Schriftstellerin Ulla Hahn betrachtet eine Rückkehr zur lateinischen Sprache in der Liturgie der katholischen Kirche skeptisch. 'Ich glaube nicht, dass das Lateinische einen besonderen Vorteil hat", sagte sie. Tradition bedeute nicht, "dass man nichts unverändert belässt, sondern dass man Älteres immer wieder neu sagt und erfasst und das auch wieder neu erfassen lernt'.

Christoph Schmitz:
(...) Sie hat also jenes Manifest nicht unterschrieben, das sich für die lateinische Messe in der katholischen Kirche stark macht. In dem Manifest heißt es, dass sich 1971 schon Graham Greene und Agatha Christie, auch der Pianist Vladimir Ashkenazy und der Geiger Yehudi Menuhin für die traditionelle katholische Liturgie eingesetzt haben. Sie sei ein "überragendes Werk der Weltkultur, vergleichbar den Domen und Kathedralen". Ohne sie seien die Mess-Kompositionen von Palestrina, Bach, Beethoven, Bruckner und Mozart gar nicht zu verstehen. Außerdem verbinde sie die heutige Kirche mit der lateinischen Kultur des Mittelalters und mit der Antike.

Solche Aufrufe seitens Künstler und Wissenschaftler gibt es seit Jahresbeginn auch in Frankreich und der englischsprachigen Welt. In Deutschland hat ihn der Bonner Altphilologe Heinz Lothar Barth initiiert.

Ulla Hahn, über Ihren Verlag ließen Sie gestern mitteilen, Zitat: "Ohne dass ich mich von allen Inhalten des Manifestes distanziere, hätte ich es doch so weder unterschrieben noch begrüßt." Von welchen Inhalten würden Sie sich nicht distanzieren? Das war meine erste Frage.

Ulla Hahn: Ich habe mir das Manifest jetzt auch noch mal genau angeschaut. Das ist ja doch, um es mal dezent auszudrücken, irreführend auch formuliert. Es wird ja da immer von der lateinischen Liturgie auch gesprochen. Die lateinische Sprache in der Liturgie ist ja erlaubt, die ist ja gar nicht verboten, die ist ja sogar erwünscht. Die Volkssprachen sind seit dem Vatikanum II erlaubt, und das Wörtchen "klassisch" ist ja da noch drin, und dahinter verbirgt sich ja etwas ganz anderes, denn das ist ja der alte Ritus von 1541, dieses Konzil von Trient, das das zweite Vatikanum dann abgelöst hat. Dieser alte Ritus, der ist in der Tat nur mit einer Sondererlaubnis des Ortsbischofs noch zu zelebrieren, der ist in der Tat verboten, und gegen ein Verbot würde ich mich immer wenden.

Schmitz: In diesem Manifest heißt es unter anderem, dass die lateinische Liturgie sozusagen wie die Kathedralen, die man heute noch besichtigen kann, das Abendland zum Teil bis in römische Zeit hinein kulturell präsent darstelle.

Hahn: Schauen Sie, was hat Vatikanum II gemacht? Vatikanum II hat ja die Liturgie in wesentlichen Punkten beibehalten. Sie hat nicht die lateinische Sprache abgeschafft, das muss man immer wieder betonen, das ist nicht wahr, und es ist ja auch durchaus auf alte Elemente wieder zurückgegriffen worden. Nehmen Sie zum Beispiel die Handkommunion, die hat es bis ins Jahr 1000 gegeben.

Schmitz: Martin Mosebach sagt, dass es eben nicht um Restauration, sondern um Renaissance geht, also um Tradition des Lebendigen, das wieder lebendig gemacht werden soll.

Hahn: Dem kann ich mich natürlich nur anschließen. Aber deswegen muss man das Rad nicht zurückdrehen, denn was heißt denn Tradition? Das heißt ja nicht Konservierung, sondern Übertragung. Und eine Übertragung schließt ja ein, dass man nichts unverändert belässt, sondern dass man Älteres immer wieder neu sagt und erfasst und das auch wieder neu erfassen lernt.

Hier weiterlesen:www.deutschlandfunk.de/ulla-hahn-latei…:article_id=50345
RellümKath
Das mit der Handkommunion ist schon erschreckend... 😡
Santiago_
"Nehmen Sie zum Beispiel die Handkommunion, die hat es bis ins Jahr 1000 gegeben."
Das dürfte Weihbishof Athanasius Schneider allerdings deutlich anders sehen, und wie mir scheint, ganz zurecht.Mehr
"Nehmen Sie zum Beispiel die Handkommunion, die hat es bis ins Jahr 1000 gegeben."

Das dürfte Weihbishof Athanasius Schneider allerdings deutlich anders sehen, und wie mir scheint, ganz zurecht.