Carlus
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Der entfesselte Zwerg und der gefesselte Riese

Die Terrororganisation Hamas schießt nicht nur mit Zwillen, sondern auch mit Raketen auf Israel, aber militärisch ist sie heillos unterlegen

KOMMENTAR
HAMAS UND ISRAEL


Israel ist der Hamas militärisch haushoch überlegen. Dennoch sitzt die Terrororganisation am längeren Hebel, weil sie bereit ist, ihre eigene Bevölkerung zu opfern. Das macht ihre Stärke aus.

In den vergangenen Tagen kam es in vielen deutschen Städten zu Demonstrationen, deren Teilnehmer dankenswerterweise mit einer lange gepflegten Legende aufräumten: Die so genannte "Israelkritik" habe nichts mit Antisemitismus zu tun, sie richte sich auch nicht gegen Juden, sondern nur gegen Zionisten, also diejenigen, die für die israelische Politik verantwortlich sind oder diese unterstützen.
In Berlin reimten die Demonstranten: "Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!", in Essen riefen sie "Scheiß Jude, brenn"! und hielten dabei Plakate hoch, auf denen zu lesen war: "Stoppt den Judenterror!" und "Angeblich früher Opfer. Heute selber Täter".
In Gelsenkirchen war der Ruf zu hören: "Hamas, Hamas, Juden ins Gas!"; später gab die Polizei bekannt, die Demonstration sei "insgesamt friedlich" verlaufen. Auch in Frankfurt war die Polizei bemüht, die Lage zu deeskalieren, sie stellte den Demonstranten eine Lautsprecheranlage zu verfügen, damit sie ihre "israelkritischen" Parolen optimal verbreiten konnten.
Im Netz und vor allem in den sozialen Medien wird ebenfalls Klartext gesprochen. Auf der Facebook-Seite von Gregor Gysi dachte ein Besucher "leise" darüber nach, "um wie viel friedlicher wäre der nahe osten, wenn der holocaust erfolgreich gewesen wäre?"

Hamas ist genuin antisemitisch

Die Sympathien für die Hamas, wie sie derzeit wieder zum Ausdruck kommen, haben nichts mit der Lage der Palästinenser zu tun; sie sind vielmehr Ausdruck der Hoffnung, die Hamas möge in "Palästina" den Job zu Ende bringen, den eine andere große antisemitische Bewegung in Europa unvollendet abbrechen musste.
Fairerweise muss man festhalten, dass die Mehrzahl derjenigen, die sich im Jahre 2014 "Juden ins Gas!" wünschen, keine Biodeutschen sind, sondern einen "Migrationhintergrund" haben, den die Medien gerne beschweigen.
Die Hamas ist eine genuin antisemitische Bewegung. Es geht ihr nicht darum, einen palästinensischen Staat zu errichten, sondern darum, die jüdische Präsenz auf dem Boden Palästinas zu beenden. In Artikel 7 ihrer Charta aus dem Jahre 1988 heißt es: "Die Stunde des Gerichtes wird nicht kommen, bevor Muslime nicht die Juden bekämpfen und töten, so dass sich die Juden hinter Bäumen und Steinen verstecken und jeder Baum und Stein wird sagen: 'Oh Muslim, oh Diener Allahs, ein Jude ist hinter mir, komm und töte ihn!'"
Nicht einmal die begabtesten Islamversteher wären in der Lage, solche Sätze anders zu interpretieren, als sie gemeint sind: Aufruf zum Völkermord. Dennoch muss man der Hamas für ihre Aufrichtigkeit dankbar sein. Sie ist weder auf einen politischen noch einen territorialen Kompromiss aus. Sie spricht nicht nur dem "zionistischen Gebilde" das Existenzrecht ab, sondern auch jeder "nichtreligiösen palästinensischen Verwaltungsbehörde".

Die Freunde der Hamas können lesen, oder?

Verhandlungen und Friedenskonferenzen seien "Zeitverschwendungen und vergebliche Bemühungen" und "nichts anderes als ein Mittel, um Ungläubige als Schlichter in den islamischen Ländern zu bestimmen".
Ihr Ziel ist und bleibt, "die Fahne Allahs über jeden Zoll von Palästina" aufzuziehen. Auch das sind klare Worte. Und wer heute mit der Hamas sympathisiert, sollte sich später nicht darauf berufen, er habe ihre Charta nicht gelesen.
Die Freunde und Förderer der Hamas sind keine Analphabeten, sie können lesen und schreiben, auch wenn es mit der Rechtschreibung hier und da ein wenig hapert. Die Krankheit, an der sie leiden, hat keinen Namen, man könnte sie als eine Autoimmunschwäche gegenüber der Wirklichkeit bezeichnen. Fakten sind vor allem dazu da, geleugnet zu werden.
Israel hat den Gaza-Streifen im Jahre 2005 bis auf den letzten Quadratmeter geräumt. Dennoch behauptet die Hamas, Gaza werde weiter "besetzt" gehalten, weil Israel die Außengrenzen kontrolliert. Was aber würde passieren, wenn Israel die Kontrolle der Außengrenzen aufgeben würde?

Gaza ist besetzt, aber nicht von Israel

Würde die Hamas statt der Selbstmordattentäter Blumengebinde und Geschenkkörbe nach Israel schicken? Oder gar fordern, dass ihre Märtyrer von der israelischen Polizei an die Einsatzorte eskortiert werden, damit sie sich nicht verlaufen?
Dennoch ist an der Behauptung, Gaza sei "besetztes Gebiet" einiges dran. Die Besatzungsmacht heißt aber nicht Israel, sondern Hamas. Die Kämpfer für einen Gottesstaat auf Erden haben die eigene Bevölkerung als Geisel genommen und terrorisieren sie nach Belieben.
Das hat mittlerweile sogar Ulrike Putz von Spiegel Online begriffen. Auch der beliebte Hinweis, Hamas sei "demokratisch gewählt" worden, ist inzwischen verjährt. Tatsächlich hat die Hamas die Wahlen von 2006 gewonnen und sich nach Querelen mit der PLO bzw. der Fatah ein Jahr später in Gaza an die Macht geputscht, an der sie seitdem festhält, ohne sich noch einmal dem Risiko freier Wahlen auszusetzen. Warum sollte sie auch?

Subventionen der EU für das kommode "Freiluftgefängnis"

Sie wird von der EU und anderen internationalen Körperschaften subventioniert, ihre Führer leben in Saus und Braus, während ein großer Teil der Bevölkerung von den UN versorgt wird. Wenn Gaza ein "Freiluftgefängnis" ist, dann ein sehr kommodes – wenn auch nicht in diesen Tagen.
Der ständige Beschuss von Orten innerhalb von Israel ist keine Antwort auf die Besetzung von Gaza, sondern eine Konter auf die Existenz von Israel, mit der sich die Hamas nicht abfinden kann und nicht abfinden wird. Es ist eine wohl durchdachte Strategie, mit fortgesetzten Nadelstichen eine Apokalypse herbei zu führen, aus deren Ruinen dann der islamische Gottesstaat entstehen soll.
Solche Endzeitfantasien sind nicht neu; der Kampf von Gog und Magog, wie er in der Offenbarung des Johannes dargestellt wird, hat viele Autoren inspiriert, von Nicolai Gogol ("Die toten Seelen") bis Karl Kraus ("Die letzten Tage der Menschheit"). Inzwischen findet er nur noch in Hollywoodproduktionen wie "Armageddon" statt.
Für die Hamas ist es aber ein Programm, das von vielen als politisch missverstanden wird. Auf der einen Seite die rücksichtslosen Besatzer, auf der anderen Seite die Besetzten, die um ihre Freiheit kämpfen. Freilich – wenn Israel nur noch aus der Strandpromenade von Tel Aviv bestünde, würde die Hamas weiter kämpfen, bis der letzte Besatzer getötet oder geflohen ist. Der Sieg muss ein totaler sein.

Fast wie David und Goliath, aber nur fast

Deswegen ist das Verhältnis zwischen Israel und der Hamas mehr als nur asymmetrisch. Militärisch hat die Hamas der Supermacht Israel wenig entgegen zu setzen.
Dennoch sitzt die Hamas am längeren Hebel, weil sie bereit ist, ihre eigene Bevölkerung zu opfern. Das – und nicht die Anzahl oder Reichweite der Raketen – macht ihre Stärke aus. Israel könnte die Auseinandersetzung innerhalb von Stunden beenden, wenn es die Lieferung von Lebensmitteln, Strom und Treibstoff nach Gaza einstellen und die Telefonleitungen kappen würde.
Es ist wohl das erste Mal in der Geschichte bewaffneter Konflikte, dass ein Staat für das Wohlergehen derjenigen sorgt, die ihm den Krieg erklärt haben, und sich damit den Vorwurf einhandelt, einen "Völkermord" zu begehen. Derweil die Hamas ein Kraftwerk in Ashkelon beschießt, das den Strom für Gaza liefert. Kann sich jemand etwas Ähnliches vorstellen, würden tschetschenische oder uigurische Freiheitskämpfer "selbst gebastelte" Raketen auf russische oder chinesische Ziele abfeuern?
Der entfesselte Zwerg und der gefesselte Riese. Das klingt wie die Geschichte von David und Goliath. Nur dass diesmal niemand vorher sagen kann, wie sie ausgehen wird.
Quelle;
www.welt.de/…/Der-entfesselte…
eiss
Der friedliebende Eroberer
„Der Krieg ist mehr für den Verteidiger als für den Eroberer da, denn der Einbruch hat erst die Verteidigung herbeigeführt und mit ihr erst den Krieg. Der Eroberer ist immer friedliebend (wie Bonaparte auch stets behauptet hat), er zöge ganz gern ruhig in unseren Staat ein; damit er dies aber nicht könne, darum müssen wir den Krieg wollen und also auch vorbereiten, d. …Mehr
Der friedliebende Eroberer
„Der Krieg ist mehr für den Verteidiger als für den Eroberer da, denn der Einbruch hat erst die Verteidigung herbeigeführt und mit ihr erst den Krieg. Der Eroberer ist immer friedliebend (wie Bonaparte auch stets behauptet hat), er zöge ganz gern ruhig in unseren Staat ein; damit er dies aber nicht könne, darum müssen wir den Krieg wollen und also auch vorbereiten, d. h. mit anderen Worten: es sollen gerade die Schwachen, der Verteidigung Unterworfenen, immer gerüstet sein und nicht überfallen werden; so will es die Kriegskunst.“ (Carl von Clausewitz. Fünftes Kapitel: Charakter der strategischen Verteidigung).